Unsere gemeinsame Reise in Nicaragua ging nach sieben Tagen zu Ende, aber wir waren noch nicht ganz fertig mit unserem Programm. Zwei Monate später, im April, stand das große Wiedersehen an. Dazu trafen wir uns in der Kaffeeschule von Thomas und Nadine, in Hannover. Nachdem wir in Nicaragua unser eigenes Fermentationsexperiment gestartet hatten, konnten wir nun endlich unsere Ergebnisse verkosten! Thomas und Nadine haben unsere drei unterschiedlich aufbereiteten Kaffees mit nach Deutschland genommen und Thomas hat sie vor unserem Treffen geröstet.
Zur Erinnerung: Wir haben die Kirschen in der Reserva El Jaguar geerntet und nach dem Sortieren auf drei verschiedene Tanks verteilt. Die Tanks wurden zusätzlich zu den Kirschen mit Wasser und jeweils einem anderen „Fermentationsstarter“ befüllt. Die drei Zugaben waren Milchsäurebakterien, Hefe und Kombucha samt Pilz. Das Ganze wurde verschlossen und für drei Tage stehen gelassen. Danach trafen wir die Tanks auf einer Aufbereitungsstation wieder, haben das Wasser abgelassen und legten die unterschiedlich fermentierten Kirschen getrennt voneinander aus. Nach dem Trocknen wurde das Fruchtfleisch entfernt. Als fertig aufbereiteter Roh- bzw. Röstkaffee konnten wir unser Experiment in Hannover beenden. Und das Ergebnis: auf jeden Fall interessant! Die Blindverkostung hat uns gezeigt, wie unterschiedlich die gleichen Bohnen schmecken können. Es war wirklich nicht zu erkennen, dass die Kaffees von ein und derselben Farm stammten und es sich um nur eine Varietät handelte. Zugegeben, der mit Bierhefe fermentierte Kaffee entsprach nicht so meinem Geschmack, aber der Effekt war trotzdem erstaunlich. Gewonnen hat meiner Meinung nach aber der Kaffee der mit Milchsäurebakterien fermentiert wurde. Hier entwickelten sich weiche und fruchtige Aromen, die sich sehr harmonisch zueinander verhielten. Vor allem das samtige Mundgefühl stach hier hervor.
Man darf gespannt sein, welche Rolle der fermentierte Kaffee in Zukunft tatsächlich spielen wird. Grade stehen die Zeichen für diese Herangehensweisen in der Aufbereitung gut. Doch Kaffee hat schon viele neue Entwicklungen und „Trends“ erlebt. Viele davon waren nur von kurzer Dauer. Ich persönlich glaube, dass es mit den Fermentationsprozessen anders sein wird. Hier haben die Produzierenden ein Werkzeug in die Hand bekommen, mit dem es möglich ist, Kaffeekirschen vom selben Strauch unterschiedlich schmecken zu lassen und unterschiedliche Preise nehmen zu können. Und vielleicht bewahrt so etwas auch das spezielle im Specialty Coffee, wenn die Auswirkungen des Klimawandels immer spürbarer werden.
Auch wir bei VAN DYCK werden diese Entwicklung beobachten und hoffen, dass wir bald mehr Bio-zertifizierte, speziell aufbereitete Kaffees finden werden.
Als Fazit zu meiner Zeit in Nicaragua kann ich sagen, dass es unglaublich bereichernd war, diese Tour zu machen. Thomas und Nadine haben ein tolles Programm auf die Beine gestellt und man merkt wie sehr sie sich in dieses Land und seine Menschen verliebt haben. Mein persönliches Highlight waren auf jeden Fall die Tage in der Reserva El Jaguar. Der Regenwald, der Anbau und seine Bedingungen und die Menschen die in diesen abgelegenen Regionen leben und arbeiten, das alles hat einen riesigen Eindruck hinterlassen. Was wir sahen, war nicht nur positiv und Balsam für das Herz eines Kaffeeliebhabers. Die Herausforderungen wie Armut, Klimawandel und Abwanderung hinterlassen deutliche Spuren in den Anbauregionen. Aber es war mindestens genauso wichtig, neben den vielen tollen Eindrücken auch diese Seiten zu sehen. Beide Seiten gehören zur Realität des Kaffeekonsums, die wir hier, in den Kaffeekonsumländern in dieser Deutlichkeit viel zu selten zu sehen bekommen.
Wer also schon länger mit dem Gedanken spielt, an einem solchen Programm teilzunehmen oder gar auf eigene Faust in ein Kaffeeanbauland zu reisen, sollte dies unbedingt tun. Es lohnt sich!