Kaffeesommelière werden | Albinas Ausbildungsrückblick und Empfehlungen

Wie viele andere Kolleg*innen in den kleineren Röstereien bin auch ich als Quereinsteigerin an den Kaffee gekommen. Mittlerweile beschäftige ich mich seit sechs Jahren professionell mit unser aller Lieblingsgetränk. Angefangen habe ich als Barista im Van Dyck und bin dann vor über vier Jahren zum Rösten gekommen. Obwohl die Arbeit nie langweilig wird und ich das Glück habe, dass mein Alltag aus einer guten Mischung aus Rösten, Kundenbetreuung und Barista-Kursen besteht, fehlt oft die Zeit, das eigene Können zu testen und zu verbessern.

Umso schöner war es, als meine Chefin mir vorschlug, an einer Ausbildung zum Kaffeesommelier teilzunehmen.

Nach kurzer Recherche fiel die Wahl auf die Kaffeeschule Hannover. Hier konnte ich bereits am Röstercamp 2019 teilnehmen. Inhaber der Hannover Kaffeeschule ist Thomas Brinkmann. Seit fast 20 Jahren arbeitet Thomas mit Kaffee und Kaffeeinteressierten und kann auf ein enormes Wissen zurückgreifen.

Eine sensorische Fortbildung an der Hannover Kaffeeschule.

Was macht ein/e Kaffeesommelier/Kaffeesommelière?

Der Begriff Sommelier/Sommelière ist den meisten Menschen im Zusammenhang mit Wein geläufig. Tatsächlich ist diese Bezeichnung für Expert*innen aber nicht exklusiv für Menschen geführt, die mit Wein arbeiten. Es gibt auch Sommeliers für Bier, Wasser und sogar Kaffee. Egal für welches Produkt, die Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich ein*e Sommelier/Sommelière besonders mit der Sensorik, also dem Geschmack, auseinandersetzt. Als Kaffeesommelier/Sommelière gilt es also, die Fähigkeit zu erlernen, Kaffee in seiner geschmacklichen Qualität möglichst objektiv zu beurteilen.

Was ist der Unterschied zur Tätigkeit als Barista?

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der*die Barista für die Zubereitung und der*die Kaffeesommelier*in für die qualitative Einordnung des Kaffees zuständig ist. Das heißt, der/die Barista muss anhand von erlernten Kriterien erkennen können, ob der Kaffee richtig zubereitet wurde. Er oder sie erkennt, ob das „Beste“ aus dem Kaffee herausgeholt werden konnte. Fällt das Urteil negativ aus, muss das Rezept in der Zubereitung (z.B. Brew Ratio oder Mahlgrad) verändert werden, um das Ergebnis positiv zu beeinflussen. Ein/e Barista/Barista arbeitet immer mit „Werkzeugen“ wie der Siebträgermaschine, dem Handfilter etc.

Die Arbeit eines*r Kaffeesommeliers*in setzt an einem anderen Punkt an. Hier geht es oft um den Einkauf von Rohkaffee oder die Beurteilung von Röstungen.

Leitfragen können sein:

  • Lohnt es sich, diesen Kaffee zu diesem Preis einzukaufen?
  • Habe ich sensorische Abweichungen bei meinen Röstkaffees im Vergleich zu früheren Röstungen?

Um diese Fragen beantworten zu können, werden die Kaffees in so genannten Cuppings verkostet. Hierbei werden keine Hilfsmittel verwendet, um auszuschließen, dass sich der Geschmack durch eine bessere oder schlechtere Zubereitung verändert hat. Bei Cuppings gießt man im Grunde „nur“ heißes Wasser auf das Kaffeemehl. Dann wartet man, bis der Kaffee eine gewisse Zeit gezogen hat und sich der Kaffeesatz abgesetzt hat. Nun bewertet man den Kaffee mit den eigenen sensorischen Fähigkeiten. Es ist in der Praxis etwas komplexer, als es sich hier anhört. Die Zeiten und Mengen sind zum Beispiel standardisiert, um eine Reproduzierbarkeit zu gewährleisten.

Wie sieht eine Fortbildung zum/zur Kaffeesommelier/Kaffeesommelière aus?

Ich kann hier nur über meine eigenen Erfahrungen an der Kaffeeschule Hannover berichten. Ich denke, dass Inhalte und Aufbau an anderen Schulen ähnlich gestaltet sind, um den Anforderungen der IHK-zertifizierten Abschlussprüfung gerecht zu werden.

„Mit Freude und Know-How Kaffeequalitäten schlürfend erkennen.“

Dieser Satz springt einem als erstes ins Auge, wenn man auf der Seite der Hannoverschen Kaffeeschule den Reiter zur Weiterbildung zum/zur Kaffeesommelier/Kaffeesommelière öffnet. Und nachdem ich an dem fünftägigen Kurs teilnehmen durfte, kann ich sagen, dass die Beschreibung mehr als zutreffend ist.

Die Fortbildung besteht aus fünf Modulen

  • Rohkaffee
  • Sensorik im Kaffee
  • Qualität im Kaffee und Handel
  • Cupping-Praxis
  • Prüfung in Theorie und Praxis

Die Mischung aus Theorie (Rohkaffee und Qualität im Kaffee und Handel) und Praxis (Sensorik im Kaffee und Verkostungspraxis) ist gelungen. So lernt man nicht nur, Geschmack objektiv zu beurteilen, sondern verbessert auch sein theoretisches Wissen.
Oft fehlt in unserer Branche ein einheitliches Vokabular. Das liegt auch daran, dass es eben kein klassischer Ausbildungsberuf ist und sich viele Quereinsteiger*innen die Kompetenzen „learning by doing“ aneignen müssen. Eine solche Weiterbildung mit Struktur und verlässlichen, wissenschaftlich fundierten Aussagen hilft, sich zu professionalisieren, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und auf einen ähnlichen Wissenskanon zurückzugreifen.

Am ersten Tag gab es eine kleine Einführungs- und Kennenlernrunde. Danach sind wir direkt in die Praxis eingetaucht. Der Aufbau dieser ersten Praxiserfahrungen war ähnlich dem, was uns in der Prüfung erwarten sollte. Los ging es mit der Klassifizierung der Grundgeschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig) nach Konzentration und Mischungsverhältnis (was bei allen noch recht gut klappte). Anschließend folgte eine Verkostung verschiedener Kaffees in Form von Cupping und anderen sensorischen Tests. Ausgestattet mit entsprechenden Bewertungsbögen zeigte sich schnell, wie subjektiv die ersten Bewertungen der Kaffees noch waren und welche Herausforderungen auf uns zukommen würden.
Unser Ziel sollte es sein, uns im Laufe der Woche als Panel zu kalibrieren und unsere Bewertungen (in Form von Punkten) anzugleichen.

Die folgenden Tage waren alle ähnlich aufgebaut: Praxis, Theorie, Pause, Praxis – und je nach Tagesfortschritt noch eine Theorieeinheit. Sehr hilfreich war ein kursbegleitendes E-Learning-Portal, in dem man die theoretischen Inhalte in Ruhe nacharbeiten konnte.

In unserem Kurs waren wir nur drei Teilnehmer*innen, was es natürlich leichter gemacht hat, auf unsere individuellen Fragen sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich einzugehen. Aber auch wenn der Kurs voll gewesen wäre, hätte man die Anzahl der Teilnehmer auf eine kleine Gruppengröße reduziert, um diese Erfahrung zu gewährleisten.

Lohnt sich die Fortbildung, und wenn ja, für wen?

Die Ausbildung zum Kaffeesommelier kostet ca. 1.300 € und ich denke, dass Preis und Leistung in einem guten Verhältnis stehen. Ich kann den Kurs jedem empfehlen, der sich beruflich (oder intensiv als Hobby) mit Kaffee beschäftigt, aber Schwierigkeiten hat, sein Verständnis zu formulieren oder seine sensorischen Fähigkeiten zu verbessern. Das Programm war sehr gut strukturiert, mit einer ausgewogenen Mischung aus Theorie und Praxis und mit Thomas als Kursleiter, der auf ein schier unerschöpfliches Wissen in allen kaffeerelevanten Bereichen zurückgreifen konnte. Die theoretischen Bereiche wurden mit informativen und anschaulichen Präsentationen begleitet, was ich als sehr hilfreich empfunden habe und auch das begleitende Lernprogramm hat geholfen, die Inhalte in der doch recht kurzen Zeit zu verinnerlichen.

Ich habe jeden Tag Fortschritte gemacht. Auch wenn ich mir am Anfang nicht sicher war, wie ich die Prüfung bestehen würde, merkte man schnell, wie wir als Panel zusammenwuchsen, uns aufeinander einstellten und lernten, nicht nur nach Intensität, sondern auch nach qualitativen Merkmalen zu bewerten.

Bei den praktischen Teilen stand immer ein Referenzkaffee auf dem Tisch, dessen Bewertung wir kannten und mit dessen Hilfe wir die uns unbekannten Kaffees immer besser einschätzen konnten. Am Ende haben wir alle die Prüfung bestanden. Aber auch wenn dieser Kurs nicht mit einem Zertifikat gekrönt war, hat sich die Teilnahme gelohnt. Die wissenschaftlich fundierten Inhalte entkräften so manches veraltete Wissen und die eine oder andere Halbwahrheit, die auch in der Spezialitätenkaffeeszene gerne verbreitet wird. Alles in allem hilft ein solcher Rahmen einfach enorm, sich die sonst viel zu knapp bemessene Zeit zu nehmen, um die eigenen sensorischen Fähigkeiten zu professionalisieren und zu trainieren und zu lernen, die Ergebnisse zu formulieren.

Dieser Beitrag wurde verfasst von:
Albina Stamer – Rösterin im Van Dyck